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Beitrag zum Jubiläumsfest

Westfälische Nachrichten

20 Jahre Poetry-Party : Musik und Lyrik zum Jubiläum

Vor zwei Jahrzehnten organisierte Renate Rave-Schneider in Münster die erste „Poetry Party“ – damals noch im Café Saitensprung. Jetzt wurde …

Stimmen zum Jubiläumsfest
„Glücksmomente mit Dichtern und Musikern“

19.06. Anne-Marie G.

“ Renate, noch immer freue ich mich über die Erfahrung
und das SEIN und die glücklichen Momente, die ich verlebt habe
mit Dir und mit Euch. Deine Jubiläumsausgabe war wunderbar
organisiert und feinfühlig erdacht. Dein Können, Deinen Tiefgang
und Deinen ganz eigenen Zugang zur Poetry durfte ich gestern
ganz neu für mich entdecken. Wir dürfen alle gespannt sein auf
Deine weitere ENT-Wicklung. Ich habe echt bewundert, daß Du
diese namhaften Leute alle für diese Veranstaltung gewinnen
konntest. Das fand ich echt erfolgreich. Und super erfolgreich
waren alle Deine Ansagen: treffend, treffsicher, angemessen
und echt WERT-schätzend. Vielen Dank für all Deine Mühe.
Es hat sich gelohnt. Herzliche musikalische Grüße A.
PS.: Würdest Du mir jedwede Zeitungsartikel zukommen lassen?
Danke!“
20.06. Ingrid B.-G.

„Renate, uns klingen heute noch die Ohren von Musik und Worten.
Wir waren sehr begeistert und erfreut und haben uns auch köstlich
amüsiert, was Du so alles auf die Beine gestellt hast. Kaum zu glauben.
Du hast sicher jetzt die Ruhe genossen.
Das ist harte Arbeit, aber wenn dann die Motivation stimmt, kann man
das! Meinem Mann Hans hat die Musik von Wolf sehr gut gefallen.
Das ist seine Welt: Blues & Boogie. Hans hat noch ganz uralte
Schallplatten von der Musik der Schwarzen, er wird dieses Jahr 90.“

23.06. Hedwig S.

„Liebe Renate, vielen Dank, dass ich bei Deiner Jubiläumslesung
mitagieren durfte. Es hat mir sehr gut gefallen, ebenso meinem Mann.
Du hast das alles toll hingekriegt und organisiert.
Wir kamen dann doch spätnachts in Buxtehude an, trotz Unwetter
und Hagelschlag!“

Einige Beiträge des Festes

Scherzo

Der Coup gelingt.
Das Publikum zollt Beifall.
Der Regisseur brüllt:“Aus!“
Die Klappe fällt.

Statisten räumen auf.
Der Abspann läuft.
Doch eine Frage noch.

Wo ist das Geld?

Die Wetten sind gewonnen
und verloren.
Die Pferde stehen schweißbedeckt im Ziel.

Am Schalter
Buchmacher mit roten Ohren.
Das Geld?
Da wissen sie nicht viel.

Und im Casino rollt die Kugel
und der Croupier ruft
Rien ne va…

Das Spiel beginnt.

Die Kugel rollt.
Rollt einmal um die Welt.
Sie sucht.
Sie trifft.
Die Frage röchelt:

Wo ist …

Barbara Kleyböcker

Aus Stimmen – so fern, so nah
Gedichte . deutscher lyrik verlag (dlv)

 

Metamorphose

Hingeworfen nach Mexiko
In Chichén Itza Kopf und Herz verloren
Gehäutet, umgeformt, geprägt von Mexiko
Liebend umarmt
Neun mal kehrte ich zurück, verausgabte mich
Verwoben mit Mexiko
Die Sonne brüllt
Die Farben schreien
Vulkane spucken Feuer
Feuerschlucker zwischen Autokolonnen
Überlebenskünstler
Pilger auf zerschundenen Knien
Blut quillt aus Dornenkronen
Götter- und Gräberkult
Mexikaner leben mit ihren Toten
Speisen mit ihnen
Skelett-Gestalten bevölkern die Straßen, blecken grinsend ihre Zähne
Zucker-Totenschädel tragen Namen
Stadt die niemals schläft
Leben wenn man um die Ecke biegt
Leben in den Nischen der Nacht
Verkehrsströme fließen
Menschenmassen ergießen sich
Lärm überflutet die Luft
Die Polizistin pfeift, der Straßenkehrer pfeift, der Müllmann
Es pfeifen die Spatzen auf den Dächern
Sirenen gellen
Es dröhnt und donnert der Verkehr
Es wächst und wuchert der Millionen-Moloch
Armut und Überfluss
Fiestas und Ekstase
Lebenslust und Schweiß
Ermattete in Hängematten
Tequila-Taumel
Verliebte, Verlorene
Traurige die trinken müssen
Geigen schluchzen, Trompeten schmettern
Mariachi-Lieder übertönen sich
Mexiko – Land der Emotionen
Land wo selbst die Steine singen
Berauscht und entzückt singe und tanze ich mit
Bin bei mir und außer mir
Sing’ Paloma negra, die Llorona, Zandunga
Bin Mexicana, bin Alemana
staune über das Fremde, das Fremde in mir
Schling’ den Rebozo fester um meine erschöpften Schultern

 

Der Winzer im Weinfaß

Winzer: Sarg, Sarg was für ein Sarg… Du stellst Fragen…
Bestatter: Aus Erfahrung weiß ich doch, daß es für den Betroffenen meist ein sehr unangenehmer
Moment ist, wenn man auf den Sarg zu sprechen kommt…
Winzer: Ach Schmarrn, Totengräber – Sarg! Soll ich mich als Winzer in einem Sarg beerdigen lassen?!
Ich hab doch alles hier, was ich brauch!
Bestatter: Ja, was denn?
Winzer: Ja, was denn, ja, was denn? Brauchst dich doch nur mal umschauen. Weinfässer! Überall
Weinfässer. Mein ganzes Leben war ich von nichts als Weinfässern umgeben, jetzt nehm ich das
schönste mit!
Bestatter: Dann bin ich ja überflüssig…
Winzer: Abwarten, Totengräber, wir kommen schon noch ins Gespräch. Jetzt trink erst mal.
Bestatter: ‘S reicht, Berthold, danke ‘s reicht, ich muß heut noch weiter…
Winzer: …aber erst mußt mir zuhören und mir versprechen, daß du dich um alles kümmerst, was ich
dir sag.
Bestatter (stößt an): Ich versprech’s dir. Auf dein Wohl, Berthold!
Winzer: …auf deines. (trinken) Und?
Totengräber, du weißt, du bist in einer besonderen Position bei mir. Weißt warum?
Bestatter: Nein, aber ich denk, du sagst es mir gleich.
Winzer: Solang ich nämlich noch am leben bin, solang gehts dir gut, weil dann hast immer einen
hervorragenden Wein. Wenn ich aber nimmer bin, dann gehts dir erst recht gut, weil dann verdienst
am meiner Beerdigung. Also gehts einem Totengräber bei mir immer gut.
Bestatter: Ich bin kein Totengräber, ich bin Bestattungsunternehmer! Merk dir das. Jeder bestellt den
Acker auf seine Weise.
Winzer: …genau, und genau deshalb soll mein Faß auch im Weinberg verscharrt werden und nicht
drunten auf’m Städtischen.
Bestatter: Ich weiß nicht, ob wir das durchkriegen, Berthold!
Winzer: Freilich, kriegen wir das durch. Du mußt!
Bestatter: Du hast leicht reden…
Winzer: Jetzt hör mir doch einfach mal zu, dann sag ich dir schon alles. (gießt ihm erneut ein.)
Also, das Faß kommt in meine Erde, weil ich bin Erde aus dieser Erde, verstehst, und nicht aus der da
unten. Und dann legst mir zwei gute Flaschen Meßwein in die Händ, eine links, eine rechts.
Damit ich meinem Schöpfer nicht leer unter die Augen treten muß, sondern daß ich dem Herrgott
sagen kann, du hast mir so viel geschenkt, siehst, jetzt hab ich dir auch was mitgebracht.
Bestatter: Ja, schön…
Winzer: …und da, wo man mich mit meinem Faß eingebuddelt hat, soll man eine ganz spezielle
Rebsorte anpflanzen, eine Orleans. Weißt du überhaupt, was das heißt?
Bestatter: Also jetzt nicht so ganz genau…
Winzer: Pass auf, den letzten Orleans hat man 1921 gekeltert, seitdem ist die Sorte ausgestorben.
Und diesen Wein, den lass ich wieder auferstehn – und zwar aus meinem Dünger. Und den trinkt ihr
jedes Jahr an meinem Todestag – du, meine Familie und die companeros, verstehst mich?
Bestatter: Einen Orleans…
Winzer: Ich hoff, wir sind uns einig. Ich hab das Leben von Herzen gern gelebt und so will ich auch
wieder abtreten. Nicht so schwachbrüstig und zaghaft wie die andern. Sondern mit Kraft!!!
Und ohne diese CD-Dudelei oder den hiesigen Frauenchor, sondern einen richtigen Chor will ich, den
besten, hörst, den allerbesten und größten, nämlich die Fischerchöre. Ich hab genug Geld, daß ich mir
den leisten kann. Und der Fischer, der Gotthilf, der soll mit seinen Leuten bei mir am Grab stehen und
sich ins Zeug legen, daß der ganze Weinberg erzittert, so laut, daß noch meine Leich erfasst wird
davon.
Verstehst mich?
Und anfangen tun wir eine Viertelstund bevor die Sonn aufgeht, das war meine Lieblingsstund immer
schon, da mußt drauf achten! Der Weg zum Berg hoch muß mit Fackeln ausgeleuchtet werden, damit
keiner auf die Schnauze fliegt. Das hätt grad noch gefehlt, daß ich als Toter schuldig werd an einem
Unglück.
Und die Ansprach soll nicht der Monsignore Riedle halten, bloß nicht dieser Trauerkloß. Ich will, daß
ihr einen aus’m Vatikan einfliegt! Aus Rom. Direkt hierher.
Und noch was: die Trauergäst sollen genauso gekleidet sein wie. Die müssen allesamt ausgestattet
werden mit weißen Totenhemden! Und die Fischer-Chöre kannst auch gleich miteinkleiden! – Hast du
dir das jetzt gemerkt?
Bestatter: Also ganz langsam…(kramt ein Notizheft hervor): Punkt 1, Meßwein…
Winzer: Und – ganz wichtig noch! – wenn die Sonne aufgeht, dann muß einer den Deckel vom Faß
anheben.
Bestatter: …wieso den Deckel anheben?
Winzer: Ja, selbstverständlich den Deckel! Daß meine Seele auffliegen kann in die Sonn’,
damit’s einen guten Jahrgang gibt! Los, schrschreib auf! Sonst vergißt noch was!
(Der Bestatter notiert.)
Lebenssatt

(Frau Lerchenberg hat ihren sehr geschwächten Mann in den Rollstuhl gesetzt und ihn in ein Café
ganz in der Nähe des Krankenhauses geschoben. Sie weiß, wie sehr ihr Mann leidet unter dem
Klinikaufenthalt. Sie sitzt mit ihm am Tisch, redet und trinkt Kaffee und merkt erst gar nicht, daß ihr
Mann just in diesem Augenblick gestorben ist.)
Frau Lerchenberg: …und die Frau Drosselbauer will jetzt heut nochmal runtergehn und will mit den
jungen Leuten reden. Auf die Dauer kann das nicht gutgehn, Berthold, dieser Saukrach bis
Tief in die Nacht und dieses Gelächter. Wenn die Musik wenigstens schön wär, aber dieses ewige
bum bum bum. Hörst du mir überhaupt zu, Berthold?
(sie schiebt ihm den Kaffee zu) Dein Nescafe is ja auch schon ganz kalt.
(sie fasst ihn an die Wange und drückt seinen Puls. Sie begreift, daß er tot ist. Sie bleibt vollkommen
ruhig und gelassen und redet einfach weiter.)
Da hast dir aber einen schönen Tag zum Sterben ausgesucht, Bertl, mitten im Sommer im Café
Bellevue. Und klug bist auch. Wennst nämlich im Spital g’storben wärst, das hätten wir uns nicht
verziehen. Da hätten sie dich rausgerissen aus deinem warmen Bett, dich abgekabelt und in die
Abstellkammer verfrachtet, weil du ab sofort nicht mehr hygienisch bist. Aber nicht mit uns, hast dir
gedacht – und recht hast, Bertl! Gut hast es g’macht!
Bedienung: Darf ich abräumen?
Frau Lerchenberg: Hier wird nicht abgeräumt, Fräulein, keiner wird hier abgeräumt.
Bedienung: Verzeihung, ich dachte…
Frau Lerchenberg: Jetzt bringen Sie meinem Mann eine frische Tasse Nescafe, die hier ist ja schon
ganz kalt. Und zwei Stück Schwarzwälder Kirsch, einmal mit und einmal ohne Sahne.
(Bedienung geht ab.)
Frau Lerchenberg: Ja, Bertl, ich weiß, was du jetzt sagen willst: für mich kein Kuchen underst recht
keine Sahne, der Zucker. Aber heut erlaub ich’s dir, ab heut machen wir wieder alles, was uns Spaß
macht. Wir können auf alle klugen Ratschläg verzichten, wo sie sowieso nix nutzen, stimmts? Du hast
es richtig g’macht, Bertl, du hast die Abkürzung genommen. Wo heut oft lebenslang gestorben wird
wie die Frau Melchior. Die is jetzt schon seit acht Monaten auf der Intensiv…von wegen in kurzer Frist
stößt Gott alles um.
(Bedienung stellt Kaffee und Kuchen ab.)
Frau Lerchenberg: Was macht das zusammen?
Bedienung (rechnet): Vier Nescafe, zwei Schwarzwälder, eine mit… sind sieben Euro zwanzig.
Frau Lerchenberg (zahlt): Fräulein, seien Sie doch so lieb und bestellen Sie uns ein Taxi.
Wir wollen noch rechtzeitig im Kino zur Nachmittagsvorstellung sein.
Filmende Café.
Black.
Filmbeginn Kino.
(Frau Lerchenberg sitzt mit ihrem toten Mann im Kino. Sie schauen sich einen alten deutschen
Heimatfilm an.)
Filmende Kino.
Black.
Filmbeginn Gesangverein.
Schneller Wechsel vom Kino zum Probenraum des Männergesangvereins “Frohsinn”
Herr Lerchenberg im Kreise seiner ehemaligen Mitstreiter Man singt zu Ehren des Verstorbenen.
Sänger: Noch eins?
Frau Lerchenberg: Dankschön, aber wir müssen. Jetzt bring ich den Bertl erstmal nach
Haus und leg ihn ins Bett und dann ruf ich den Hausarzt an, damit er ihm einen menschenwürdigen
Tod bescheinigt.
Filmende Gesangverein.

www.thomasnufer.com

Ein Gedanke zu „Beitrag zum Jubiläumsfest

  1. Liebe Renate,
    wie gerne wäre ich zu Deinem Jubiläumsfest am 18.06.2016 in Münster dabei gewesen…
    Leider war es mir aus Dir bekannten Gründen nicht möglich.
    Um so mehr freut es mich, dass ich hier auf Deiner tollen Homepage viele wunderbare
    Fotos und Texte gefunden habe, die mir sehr wohl den Eindruck und wundervolle Impressionen
    im Hinblick auf den unvergesslichen Abend erfreulich und mit tiefer Dankbarkeit vermittelt haben.
    Darüber hinaus freue ich mich schon sehr auf die 46. Mülheimer Lesebühne am Freitag,
    04.11.2016 im „Blauen Saal“ des Hotels und Restaurants Handelshof zu Mülheim an der Ruhr.
    Dort darf ich Dich dann wieder als Gastautorin begrüßen. Es ist eine besondere Veranstaltung.
    Dieses Mal wird u.a. das bekannte Duo „TonSatz“ mit Christiane Schwarze und Eva Batt zu Gast sein.
    Und sie bringen die weltbekannte Drummerin Angela Frontera (Sao Paulo) mit, die schon sehr
    oft bei vielen namhaften Sendungen der Deutschen Fernsehsender mitwirkte.
    Darauf freue ich mich schon sehr. Wir sind ja ohnehin in permanenter Verbindung und darauf bin
    ich sehr stolz.
    Bis bald und liebe Grüße
    Manni

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