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Mayday

Um 1.50 Uhr nachts wurde sie wach mit einem Song im Kopf, doch
es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich vergegenwärtigen konnte,
wo sie war und was das für eine Melodie war, die da in ihrem Schädel
herumtanzte.

Sie war seit gestern Nachmittag auf dem Fährschiff Kronprinz Harald,
welches Kurs nach Oslo nahm.
Und das schnarchende- Bier und sonstiges ausdünstende – Etwas neben
ihr in der engen Innenkabine war ihr Ehemann, seit zwölf Jahren schon
ihr Ehemann Frank.
Eigentlich hätte das hier eine beschwingte Schifffahrt werden sollen, so
eine Rosine im Alltags-Napfkuchen und im Grunde wäre sie sogar lieber
mit ihrem Neffen gefahren, der jedoch kurzfristig erkrankt war.
Jetzt also mit Frank, der gerade mal wieder eine Saufphase hatte. Sie hätte
es besser wissen müssen, schon vor einer Woche, als er die Band hingeschmissen hatte und total geschafft nach Hause gekommen war, hätte
sie es wissen müssen. Das konnte ja heiter werden, dachte sie bitter,
während sie sich mit steifen Gliedern erhob und nach Pulli, Jogginghose
und Zigaretten tastete.
Schon als er Freitag früh in Wiesbaden die abgelaufenen Westernstiefel und die abgetragene
Lederhose, die ihm sein Bruder vermacht hatte, angelegt hatte, hätten die
Alarmglocken gehen müssen.
Wer war er? ….  John Wayne etwa? Es fehlte nur noch der Cowboyhut.
Fremd geschämt hatte sie sich bei der Anreise im Intercity, als er distanzlos
einen Schwarzen im Abteil zugetextet hatte: „Do you know the old blues-stuff, man?“

Und immer dieses Billigbier und die grasigen Substanzen, sie war es so leid
und wollte schnell an die frische Luft, um durchzuatmen, ehe noch Selbstmit-
leid aufkam und sie sich fragen würde, warum es immer ihr passieren musste,
dass bisher alle Männer in ihrem Leben Loser waren.
Nun war sie draußen, es war zwei Uhr nachts und ein kräftiger Wind ging,
dazwischen stürmische Böen. Aufs Oberdeck wollte sie nicht in der rabenschwarzen Nacht und zurück ins Casino auch nicht.
Obwohl aus dem Schiffsbauch noch Gekreische und Gelächter dröhnte:
Es waren Schweden und Norweger auf einem Wochenendtrip, der nur einem
Ziel diente: Sich voll laufen zu lassen, eine Dröhnung zu kriegen!
Wobei einige von denen ja ganz lustig gewesen waren, wie sie beim Diner
feststellen konnte: Richtig gut hatten die Rock`n Roll tanzen können und ihren
Weibern voller Übermut auf die Hintern geschlagen.

Fortsetzung folgt…

(c) Renate Raveschneider

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