Ich bin der
Der nicht zu überreden ist
Die gehörlose Trommel der Nacht
Ich atme das Salz der Meere
Ich rieche das tiefe schwere Blau
Schwimme mit im ewigen Strom der Wolken
Zu den stillen Kathedralen der Nacht
Traumzeit-
Nachtzeit-meine Zeit
Ja, ich bin der
Dem die Zeit gehört
Der der keine Gesetze kennt
Keine ach so abgetakelte Welt
Ruhig durchschreite ich die endlosen Korridore
Lasse mich nieder in den verwaisten Städten
Ich bin bei mir und außer mir
Ständig wechsele ich meine Haut
Alles in mir ist Verwandlung
Ich bin ein Anderer
Wenn ich Ich bin
Und doch bin ich Ich
Ich bin der Schrecken der mich warm hält
Geschundenes Fleisch das niemals leidet
Ich bin das Zittern das Beben die Stille
Das Delir
Die Implosion im Kopf des Anderen
Ich laufe Amok und komme zur Ruhe
Ich erfinde die Wildnis
Absichtslos – gebe sie mir zurück
Die Sonne lasse ich verglühen
Und meine Schatten tanzen in der Dämmerung
Ich singe den Fado den Ragtime den Blues
Tanze als gefiederte Schlange
Ich rede zum Mond
Und zum Strom dem immerfließenden
Versöhne ihn mit mir
Dämonen kommen und gehen
Emsige Fratzengestalten winken
Fischaugen wollen fressen
Ungetüme gefressen werden
Ich fürchte mich
Und ich fürchte mich nicht
Schrankenlos ist alles bis zum Morgen
Grauenvoll nur
Das Erwachen
Dieter Fohr,
freiberuflicher Schriftsteller, Verfasser
zahlreicher Rundfunk-Features,
- 1941 in Kaiserslautern, * 2016 in Düsseldorf
Ein Gedanke zu „Morphée“
Danke Renate, dass Du das Gedicht von Dieter Fohr veröffentlicht hast. Ich war am 11.3. auf seiner Beerdigung, denn ich sowie die anderen aus der späteren Autorengruppe Wortreich habe ihm viel zu verdanken. Er bewirkte bei mir um das Jahr 2000 herum die Initialzündung zum eigenen Schreiben. Das Gedicht „Morphée“ berührt heftig. Er befasste sich u.a. mit afrobrasilianischer Religion und in seinen zahlreichen Features häufig mit religiösen Themen. Er starb nach langer schwerer Krankheit und hinterlässt eine Lücke in der Düsseldorfer Literatur-Szene.