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Der Albachtener Bücher-Plausch hat das Buch „Seide“ von Alessandro Barrico gelesen , hier Stimmen dazu:

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Marita Löckner-Mertens , Teilnehmerin des Albachtener Bücher-Plausches hierzu in einem Kommentar:

„Der NDR schreibt, „eine Liebesgeschichte so zart wie ein Tuch aus Seide, so romantisch wie ein Sonnenaufgang im Frühsommer.“

Schon als ich den Roman in die Hand nahm, konnte ich nur zustimmen, denn schon das Buch mit nur 141 Seiten liegt leicht in der Hand und ist für einen Bett_leser, wie ich es bin, geradezu ideal. Aber auch wenn die Seitenzahl geringt ist, so ist doch das, was drin steht, eben weil es oft nur angedeutet wird, überwältigend reichhaltig, weil jeder Satz mindestens zwei Fragen nach sich zieht und die Phantasie Purzelbäume schlagen lässt.                                                                                                              Der Seidenraupenhändler mti dem so klangvollen Namen Hervé Joncour muss sich aufgrund einer Seuche bei den europäischen Seidenraupen-Völkern im Jahr 1861 auf den Weg nach Japan machen, wo es noch gesunde Seidenraupen-Eier gibt. Allein der Gedanke, mit welchen Mühen eine solche Reise mit Zug, Pferd und Schiff von Frankreich bis ins ferne Japan verbunden war, schickt uns phantastische Bilder vor Augen von russischer Steppe, dem Baikalsee und der Provinz Fukushima, bei uns leider nicht mehr unbelastet.                                                                                                                         Der Kauf gelingt, doch Hervé, ein verheirateter Mann, begegnet bei seinem Geschäftspartner einer jungen Frau, die in meiner Vorstellung auch wirkt wie ein feines Seidentuch, auch wenn sie keine asiatischen Augen hat. Er schaut sie nur an, spricht nicht mit ihr, berührt sie nicht mit den Händen und hat auch keinen längeren Augenkontakt mit ihr, weil das die japanische Kultur nicht hergibt.Und doch: Diese junge Frau lässt in Hervé eine derartige Sehnsucht entstehen, dass er mehrere Jahre hintereinander immer wieder nach Japan fährt, um einen Blick auf sie zu erhaschen.Gerade weil in dem Buch nur mit ganz kurzen Sätzen gewaltige Dinge beschrieben werden und weil es hierbei möglich ist, so viele Fragen zu stellen über Dinge, mit denen man sich noch nie beschäftigt hat, gerade deshalb habe ich es auch so gerne gelesen.                                                                                                        Zwar hatte ich mich schon früher mal kundig gemacht, wie denn überhaupt Seide entsteht, wie die Raupen auch aussehen oder die Falter,… aber es kommen immer mehr Fragen auf, als ich Antworten bekomme.

Und ich schöpfe und schöpfe und schöpfe.                                                                                                       Und der Baikalsee, wird er von den Einheimischen denn nur „das Meer“, der „Dämon“, der „Letzte“ oder der „Heilige“ genannt?

Marita Löckne-Mertens

4 Gedanken zu „Der Albachtener Bücher-Plausch hat das Buch „Seide“ von Alessandro Barrico gelesen , hier Stimmen dazu:

  1. Freundlicherweise hat Renate mir ihr Buch ausgeliehen, dafür bin ich ihr sehr dankbar, da ich wirklich in die Geschichte hineingezogen wurde! Die Wiederholungen des Textes hatten etwas mantra-artiges, die Geschichte ist wie ein orientalisches Märchen. Auch die Nebengeschichten sind spannend, zum Beispiel das Billiard-Spiel von Baldabiou gegen sich selbst…. Das Traurige an der Geschichte war für mich das Schicksal von Hélène, der unerfüllte Kinderwunsch, die unbeantwortete Liebe für ihren Mann, der Erkenntniss dass ihr Mann eine andere liebt. Das man mit so wenig Worten so viel erzählen kann, ist hohe Kunst. Kurzum: ein Genuss!

  2. Seide – ein kühler Hauch von Stoff, ein kurzer Roman voller Zauber. Renate, deine Wahl war wundervoll! So taucht man ein in eine fremde Welt, lässt stimmungsvolle Sätze nachklingen, liest manchen kunstvollen Absatz zweimal. Ich war sehr gespannt, wie eine Liebesgeschichte ohne Berührung wirken würde – in Zeiten, wo Begegnungen weniger geworden sind. Doch war es dann letztlich in der Tiefe der Gefühle eine Liebesgeschichte an ganz anderes Stelle, als ich es erwartet hatte. So hat mich diese Geschichte überrascht in ihren Facetten und begeistert in ihren Bildern. Die Vogelvolière, das Billardspiel und nicht zuletzt die Damen, die die Hauptfigur durch sein Leben lenken. Empfehlenswert!

    1. Ersteinmal habe ich bei der Recherche nach der Lebensbiographie des Autors Allessandro Barrico festgestellt,
      dass er aus Turin in der Lombardei stammt. Ob die nahegelegene Stadt Bergamo, in der die Seidenraupen-Zucht einst verbreitet war, ihn
      inspiriert und animiert hat, sich in dieses Thema zu vertiefen und die Handlungsorte des Protagonisten Hervé Joncour nach Frankreich und
      nach Japan zu verlegen, darüber können wir nur mutmaßen. Aber „Seide“ seine romanhafte Erzählung ist ein echtes Meisterwerk, eine
      spirituelle Geschichte nicht ganz ohne Berührung, die das Herz öffnet und eine starke Sehnsucht nach etwas, was nie stattfinden wird, offenbart. Bemerkenswert fand ich auch, dass Ehefrau Helene eine schöne Stimme hat, das Mädchen aber stumm ist. Die Beschreibung dieses Mädchens gibt auch Rätsel auf, wieso hat sie eigentlich keine asiatischen Augen? Was löst sie in Hervé aus, was so köstlich ist, dass er es
      „ach, zu seiner Qual nimmmer mehr vergisst!“ Das Buch verdient ein zweites Mal gelesen zu werden.

  3. Liebe Renate, als ich von Dir erfuhr, dass der Roman SEIDE in Eurem Bücherplausch besprochen würde, merkte ich auf, weil ich diesen Roman und den Autor Barrico sehr schätze. Ich habe das Buch vor sehr langer Zeit gelesen und hatte die Einzelheiten nicht mehr präsent. Umso mehr brachte es mir, den Kommentar lesen, der mir vieles wieder in Erinnerung rief; ich hätte pauschal und spontan dazu geäußerst: sehr kunstvoll, ungewöhnlich und subtil. Jetzt macht es mir Lust, das Buch evel. noch einmal zu lesen, um die Machart zu studieren und zu erkennen, wie es möglich war, den Spannungsbogen zu halten, so dass im Beschreiben nicht ausgelebter Sehnsucht eine solche Faszination erzeugt wurde. – Das Thema passt hervorragend in diese Zeit, wo Nicht-Berühren angesagt ist.
    Do

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