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Was Grantchester Meadows und handgemachte Musik auf einer Berghütte mir sagen!

Von Grantchester Meadows zu the wall

 

oder “ Ob mir am Ende die handgemachte akustische Musik am meisten zusagt!“

 

Eine essayistische Betrachtung  von Renate Rave-Schneider

am 11.04.2018

 

Von den späten sechziger Jahren an bis in die frühen Siebziger war ich etliche Male

im Unterengadin in der Schweiz, wo meine Eltern zu der Zeit eine Ferienwohnung besassen.

Besonders erinnere ich mich an ein Erlebnis, welches sich eines Samstags nachmittags

im Hotel Paradies oberhalb von Ftan abgespielt hatte, wo wir eingekehrt waren.

 

 

Der Strom war  ausgefallen und somit war weder Fernseh-Konsum noch Radio-Hören möglich.

Es war fraglich, ob ein Elektrotechniker aus dem nahe gelegenen größeren Ort noch vorbei-

schauen könnte, um alles zu richten.

Nie werde ich die langen Gesichter der Gäste vergessen, kein Fernsehen, kein Radio und vielleicht

am Abend keine elektrisch verstärkte Band, zu deren Klängen man tanzen könnte.

„Jo, mei!“

 

In diesem Hotel in der Berg-Einsamkeit hatten die Leute doch alles, was sie zum Glücklichsein

brauchten:  fantastische Aussicht,   Sonnenterrasse,  würzige klare Luft, reichhaltige Bibliothek,

exklusives Essen, geschmackvolles Ambiente.

 

Aber die Stimmung war dahin, weil  etwas Strom ausgefallen war und weil man diesen Zustand

vielleicht auch noch vierundzwanzig Stunden. ertragen musste.

 

Ich fand das Ganze ziemlich traurig und fragte mich, ob überhaupt bis in die letzten Winkel

dieser Bergregion so viel Luxus getragen werden musste.

Nach einer  Hütte im Schweizer Nationalpark, wenige Kilometer von jenem Hotel entfernt,

begann ich mich zu sehnen: Dort hatte ich auf einer Morgen-Wanderung mit einer kleinen Gruppe

unverfälschte Naturerlebnisse gehabt: Von einer gegenüberliegenden Bergwand war das Echo

eines Kuckucks wider gehallt.  Sogar das Pfeifen der Murmeltiere ist mir noch präsent.

Wir hatten frische Milch von glücklichen Kühen getrunken und

irgendeiner aus unserer Crew hatte dann zur Gitarre gegriffen , ein paar Akkorde gespielt,

dazu was Bluesiges gesungen und alle waren glücklich.

 

Und nun muss ich an die ersten Pink Floyd Alben und dabei speziell an das Album “ Ummagumma“ denken,

aus dieser Zeit, als Pink Floyd noch eine Underground-Band war.

 Für mich ist der Song „Grantchester Meadows“ mit all den eingefangenen Naturgeräuschen,

dem Vogelgezwitscher, dem Bellen eines Fuchsrüden und schließlich der von draußen

mitgebrachten Fliege mit einer der besten, die Pink Floyd je komponiert haben.

Als eine begeisterte Vertreterin der schreibenden Zunft ist es zunächst einmal auch der

Text von Roger Waters, anknüpfend  an die frühen Hirtengedichte von Rupert Brooke aus Cambridge,

der mich fesselt. Für Waters sollte es sein spezielles Hirtengedicht , gerichtet an sein Elternhaus sein.

Poetisch halte ich es für großartig und werde es bei dem geplanten Buchprojekt mit meinem

Sohn, einem glühenden Waters-Fan ins Deutsche übersetzen.

Über drei Monate hat Waters, der bei diesem Stück erstmals akustische Gitarre spielt, daran

gefeilt, bis er die Aufnahmen in den Abbey Road Studios im April 1969 beenden konte.

Zugegeben, auch hier stammen viele Effekte aus der Klangbibliothek wie das Band von einem

bellenden Fuchs oder das Geräusch, welches der kingfisher , zu Deutsch Eisvogel verursachte, als er aufs Wasser aufsetzte.

Waters hatte hier den Sound eines Vogels, der im Sturzflug auf die Wasseroberfläche prallt, um

einen Fisch zu fangen, eingesetzt. Selbst das Totschlagen der aus der Natur mitgebrachten Fliege

setzte zahlreiche tontechnische Schritte voraus, was man alles in speziellen Pink Floyd-Büchern,

wo sich über die Geschichte jedes Songs etwas finden lässt, nachlesen kann.

Für mich ist „Grantchester Meadows“ deshalb der beste Song, weil man nicht merkt, dass der

zweistimmige Gesang doppelt aufgenommen wurde, weil man nicht merkt, dass

natürliche Umgebungsgeräusche im Grunde komplizierte Soundeffekte waren.

Die Symbiose von Text und Musik und diese herrlichen akustischen Gitarren weiten meine Seele,

umso mehr, da sie ganz natürlich klingen, so wie die pure Natur. Außerdem war ich 1976 auf einem College Ball in Cambridge tatsächlich in einem Stocherkahn,

man nennt es “ Punting“, kam auf der Granta mühsam vorwärts und genoss es diese romantische Flusslandschaft Stück für Stück zu erobern.

 

 

 

Die so natürlich klingenden Sound-Effekte dieses Meisterstücks sollten von nun an zu den typischen

Klängen von Pink Floyd – Alben gehören und wurden immer mehr perfektioniert und gestylt.

Das begeisterte auch mich und fand für mich seinen vorläufigen Abschluss bei dem sehr ambitionierten

und kommerziellsten Album mit dem so beeindruckenden Herzschlag,was plötzlich den Durchbruch

der Bandmitglieder zu Weltstars in Gang setzte. „Time“ und „Dark Side of the Moon“ waren auf ein Mal und

das auf mindestens drei Jahre hin überall in Europa und der Welt zu hören, ob in Dubrovnik oder auf Sveti Stefan, sogar am Skutari-See nahe der

albanischen Grenze, wo ich in einem dieser Sommer weilte. Man hörte es am Strand, auf den Felsen, aus den Bars von Budva , sogar aus dem Omnisbus!

Ich kann ja nicht ableugnen, dass von diesen Songs eine gewaltige Suggestionskraft ausging, aber die

Richtung hin zu einer gigantischen Supergroup, die Stadien füllen würde, nicht zu überbietende Lightshows hinlegen würde, war längst gesetzt.

 

Was machte das mit mir? Zunächst nichts.

Erst bei „The Wall“ reifte die Erkenntnis, dass die Botschaft dieses Albums des Guten zuviel war. Sowohl inhaltlich als auch von der bombastischen Strahlkraft her. Unlängst las ich von David Gilmour in einem Interview, worin er äußerte,

die Musik von Pink Floyd wäre prädestiniert für grandiose Shows in großen Stadien. Das mag er ja so sehen und ich will nun nicht ausschließen, dass

ich mir eine Band ähnlicher Ausrichtung doch mal wieder irgendwo live anhöre. 

 

 

 

Doch lausche ich tief in mich hinein so ist es Vogelgezwitscher, das Krächzen

eines Eichelhähers im Tannenwald, das Schnattern von Wildgänsen, es ist ein

Klangholz und ein Gong, es ist akustischer Blues à la John Lee Hooker wie zum

Beispiel in „Tupelo“. Das entspricht am meisten dem Pochen meiner Seele

Und ich finde, dass es das Einzige ist, was zählt:

Sowohl für Musikfans als auch die Musiker, im Grunde für alle Künstler/innen geht es nur um eines:

Zu hören ,zu spielen und  überhaupt künstlerisch umzusetzen, was aus dem Herzen kommt. Ohne Kalkül und ohne Profilneurose! Nur dann kann es ankommen ,weil es nur dann authentisch und mitreißend ist!

Renate R.-S.

Radio-Termin zum Thema:

Pink-Floyd Fan aus einer Münsteraner Alexianer-WG

im Interview mit Renate Rave-Schneider,

16.05. ab 20.04  auf Radio AM 95,4 und auch im Live-Stream

Siehe auch: www. medienforum-muenster.de/ zeitnah zum Termin!

 

 

 

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