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Reflektion anlässlich des Tages der deutschen Sprache

Reflektion zur Muttersprache anlässlich des Tages

der deutschen Sprache am 9.09.2017

 

Liebe Freunde!

 

Zunächst möchte ich ein Gedicht von Erich Fried zitieren, dessen Thematik auch gerade meine ist:

Wo lernen wir.

Wo lernen wir leben

und wo lernen wir lernen

und wo vergessen

um nicht nur Erlerntes zu leben?

Wo lernen wir klug genug sein

die Fragen zu meiden

die unsere Liebe nicht einträchtig machen

und wo

lernen wir ehrlich genug zu sein

und unserer Liebe zuliebe

die Fragen nicht zu meiden.

Wo lernen wir

uns gegen die Wirklichkeit zu wehren

die uns um unsere Freiheit betrügen will

und wo lernen wir träumen

und wach sein für unsere Träume

damit etwas von ihnen

unsere Wirklichkeit wird!

…………………………………………………

 

In der letzten Zeit habe ich mir immer mal wieder Gedanken über

unsere Muttersprache gemacht.

Darüber, dass sie durch zu viel eingestreute Begriffe aus dem Englischen

verhunzt wird!

Darüber, dass sie von Jugendlichen verschiedener Couleur auf groteske

Weise benutzt wird.

Beispiel: „Ich habe fertig mit Goethe!“

Darüber, dass sie allgemein immer weniger gesprochen wird, in den

Chargen größerer Wirtschaftsunternehmen wird primär Englisch gesprochen,

in Berlin gibt es Szene-Lokale, wo man gleichfalls nur in englischer Sprache

bedient wird.

Darüber, ob dieses Englisch einem nur angenehmer ist, als in einem Dialekt

den man kaum versteht, angesprochen zu werden?

Darüber, wie man als Autor mit der Sprache umgeht und darüber, was Dichter

und Denker wie Goethe und Heine und Gegenwartsautoren , unter anderem

auch solche mit Migrations-Hintergrund über unsere Sprache gesagt haben.

Darüber, welche Sänger und Liedermacher sich um die Muttersprache

verdient gemacht haben.

Darüber, wieviel Lehnwörter wir in andere Sprachen adaptiert haben und

wieviel Lehnwörter aus anderen Sprachen wir seit Jahrzehnten benutzen?

Darüber habe ich mit diversen Freunden und „Kollegen“ gesprochen und

diskutiert.

Ich wollte erst einen BLOG hier einrichten und mach genau das auch mit

dem Posten hier, die Diskussion mit Euren Anliegen hier ist eröffnet.

Gleichzeitig aber habe ich mich entschlossen dieses so wichtige Thema

über unsere Muttersprache in den Anhang der Autobiographie „Club

der Künstlerseelen-Wie ich die Poetry nach Münster brachte“ zu

transportieren und zwar  ausführlicher.

Doch schon hier auf diesen Seiten habt Ihr die Gelegenheit Eure Kommentare

und Fragen zu veröffentlichen. Ein Link zur Homepage, den ich bisher noch

nicht installiert hatte,wird diese dann erst richtig publik machen!

Etwas wird es noch dauern, Münster ist schließlich auch nicht an einem Tag

erbaut worden.

Renate Rave-Schneider, 20.09.2017

copyright

7 Gedanken zu „Reflektion anlässlich des Tages der deutschen Sprache

  1. Liebe Renate,
    Sprache ist und bleibt spannend. Wie sie uns formt, was sie mit uns macht und wie verschiedene Sprachen und unterschiedlich prägen. Da ich Norwegisch spreche, ist es auch immer toll zu sehen, wie Sprache auch Denk-Konzepte prägt.
    Meine Kollegin Nicole Hein hat auf unserem Netzwerkblog einen schönen Beitrag zu eingewanderten Wörtern geschrieben: http://www.der-netzwerk-blog.de/eingewanderte-woerter/ und da gibt es auch noch mehr von Jasmin Boeing über verschiedene Sprachen.
    Ich bleibe gespannt auf deine weiteren Ausführungen!
    Viele Grüße
    Maike

    1. Die weiteren Ausführungen werden dann im Essay der Autobiographie zu finden sein,
      wo ich einen Bogen von der Sprache der Romantik bis zur Jetzt-Zeit spannen werde,
      mit Betonung auf Gegenwart. Wichtig ist ja zum Beispiel unter anderem, wie Poetry-Slammer,
      die aussage-kräftigen Vertreter der dichtenden Zunft in ihren höchst unterschiedlichen
      Texten damit umgehen.

  2. Tag der Muttersprache – das ergibt wohl nur wenig Sinn, weil sich Sprache immerzu verändert und, sehr positiv ausgedrückt, wächst. Statisch (und damit auch frei vom Englischen) sind nur Sprachen, die nicht mehr gesprochen werden, wie Latein und Altgriechisch. Sie machen aber auch das Problem mangelnder Veränderung deutlich, denn die Hauptaufgabe, Verständigung untereinander, könnten sie kaum noch leisten.
    Hochsprache oder literarische Sprache hat sich schon immer deutlich von der Umgangssprache unterschieden und das wird wohl auch so bleiben.

    Viele Grüße, Wolfgang

  3. Sprache an sich ist ganz abstrakt betrachtet nur zur Kommunikation da. Sie soll es uns ermöglichen untereinander, Gedanken auszutauschen. So schafft sich der Mensch seine Sprache immer wieder neu und hat dafür die unterschiedlichsten Gründe. Vieles ist Mode zumindest hier in Europa. Und das nicht etwa erst nach dem zweiten Weltkrieg. So war es beispielsweise mal an den Adelshöfen in zu „Sächseln“. Und aus jux und dollerrei erfand ja jemand die “ Vong“ Sprache. So wird es sicher auch nur Mode bleiben. Die sogenannte Jugendsprache ist eben auch ganz klar eine Art Protest gegen die Erwachsenenwelt mit ihrer bürokratischen Sprache und Korrektheit. Ähnlich wie bei der Masematte wollen die jugendlichen auch eine Art Geheimsprache für sich schaffen die nur von ihnen verstanden wird. Interessant finde ich dass sich Sprache auch einfach aus dem nichts entwickeln kann, da wo es nicht nur einfach neue Wörter durch andere Begriffe ersetzt werden. So kam es vor dass Kinder die in einem Dorf ganz alleine ohne Erwachsene aufwuchsen, eigene Wörter Begriffe und Grammatik entwickelt haben. Der Mensch scheint es anzustreben sich durch Sprache ausdrücken zu können ganz unabhängig von der Tatsache ob eine Sprache schon existiert mit der er aufwächst oder nicht. So sollten wir meiner Meinung nach unsere Sprache zwar bewahren aber Veränderungen in ihr nicht zu skeptisch betrachten. Ich denke man kann die Veränderung welche durch den alltäglichen Gebrauch einhergeht nicht aufhalten. Veränderung in der Bedeutung der Wörter oder bewussten Verdrehung zu politischen Zwecken jedoch, sollten wir stets frühzeitig entschlossen entgegen treten. Genauso sollten wir uns für jede Minderheit auf der Welt einsetzten die per Gesetz daran gehindert wird ihre Sprache zu sprechen. Aber wenn es hier in Deutschland z.B. eine Bildung schwache Bevölkerung gibt die ein „primitives“ „Deutsch“ spricht, dann ist das nur ein Zeichen für schlechte Politik, nicht aber das „Ende“ der „deutschen Sprache“. Sondern wohl eher auch eine Art “ Slang“ oder neuer Dialekt. Und trotz komischer Grammatik immer noch Teil unserer Sprache.

    1. Ich greife das Thema „Geheimsprache der Jugendlichen“ und hier vor allem „Massematte“ auf,
      eine seit dem zweiten Weltkrieg fast ausgestorbene Umgangssprache, die vor allem in
      Münster gesprochen wurde. Deshalb wurde sie als regionaler „Soziolekt“ definiert, der
      hier in den Arme-Leute-Vierteln gesprochen wurde und dessen Wortschatz später in die örtliche
      Szene-Sprache einfloss, hauptsächlich bei Studenten und in anderen jugendlichen Sprach-Milieus.
      Auffallend ist ein starker Anteil von Jiddisch. Studenten bzw. junge Leute meiner Generation
      hörte man noch sehr viel „Masematte“ sprechen, zum Beispiel im Nachtleben, da waren
      „jovel, schofel, Kaline, Seeger, Lowine für Bier, Plinte für Hose und Leeze fürs Fahrrad“
      stehende Begriffe. Vor der Diskothek „Lila Eule“ zum Beispiel hieß es Mitte der Siebziger
      häufiger:“ Was kneisterst Du so, meine Leeze haben die gerade geklaut!“
      Als ich vor einigen Jahren mit Spannung den Roman „Schatten über dem Hudson“ von Isaac B Singer
      las, kamen mir sämtliche jüdische Begriffe wie Worte aus meiner Muttersprache vor, wie kam es?
      Ich kannte sie fast alle aus der Szene hier und brauchte deshalb kaum das Glossar aufzuschlagen.
      Heutzutage bei der immer internationaler gewordenen Studentenschaft und Stadt-Szene hört man
      weniger diese so speziell mit Münster verwobene Sprache. Umso wichtiger ist es sie im
      Gedächtnis zu behalten, zum Beispiel kann man vielleicht noch mal aus den Wilsberg-Krimis
      den Einen von 2009 sichten, in dem viel Masematte gesprochen wird. So etwas kann durchaus erheiternd wirken.
      Schließen möchte ich mit Goethe, der mal sagte:
      „Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt!“ Wenn es also nicht gerade zu viel „Denglish“ ist, was wir sprechen, kann ich dem Dichterfürsten da nur recht geben.

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