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So long Leonard, oder ein Fragment zum langen Abschied

So long Leonard
oder
Ein Fragment zum langen Abschied

Leonard Cohen ist tot, ein Sänger, der mich mein ganzes Leben lang begleitet hat.
Zum ersten Mal hörte ich Anfang der siebziger Jahre auf Kreta von ihm, wo ich nach
Jahren angepassten Büro-Daseins mit Backpackern zusammen traf.
Ich lernte Louis Marjon aus New Mexico kennen. Er besuchte in Griechenland
Freunde, die er wegen Wehrdienstverweigerung juristisch betreut hatte.
Durch ihn kam ich in eine Clique von Aussteigern.
Entweder lasen sie Miller oder hatten Siddhartha im Rucksack…. Oder beides!
Man hörte Musik von Joan Baez, Janis Joplin, Jimmy Hendrix und….
sprach von Leonard Cohen. Ich saugte alles auf wie ein Schwamm, vor allem
die Hippie-Ideologie und deren Lebensweise. Es war der Anfang meiner Befreiung,
die mich allein unterwegs zu mehreren griechischen Inseln führte,die mich per
Greyhound durch sechs amerikanische Staaten reisen ließ und später nach Mexiko.
Zurück zu den Siebzigern. Zuhause war ich längst auf der Spur aller angesagten
Singer-Songwriter.
Ich tickte da wie viele Frauen, bei denen von allen Musikern dieser Art Leonard Cohen
der Bevorzugte war.
Einige Zeit lebte er auf der griechischen Insel Hydra.
Ein Platten-Cover zeigt sein Zimmer, in dem seine damalige norwegische Freundin
Marianne zu sehen ist, der er den Song „So long Marianne“ widmete.
Ich, die ich seit jener Zeit ein Griechenland-Fan bin, stellte sehnsuchtsvoll fest, dass
seine tiefe angeraute Stimme und seine Texte Seiten in mir berührten, die durchtränkt
waren von Melancholie.
Wer von uns Frauen damals wollte nicht jene Suzanne sein, die ihn zum Fluss hinunter
führte, wo die Sonne wie Honig herab strömte, wer wollte nicht blind mit ihm auf die Reise
gehen.
„Tea and oranges“, „among the garbage and the flowers“, das waren Metaphern, die meine
Gefühle weckten. Ebenso gab es da ein starkes Bild in den lyrics von „Suzanne“:
„Vollkommene Körper, die sich im Geist berühren“.
Kurz, ich war hin und weg.

Leonard Cohen war ein Zweifler, ein Suchender, der seine inbrünstige Suche vollkommen
in Musik und Poesie darstellen konnte.
So wie hier in dem Song Suzanne in der Jesus-Passage:
„Jesus war ein Seemann, als er auf dem Wasser ging. Und er schaute lange Zeit von einem
einsamen hölzernen Turm. Und als er die Gewissheit hatte, dass nur Ertrinkende ihn sehen
konnten, sagte er, alle Menschen werden Seeleute sein, bis dass die See sie befreit. Doch er
selbst zerbrach, lange bevor der Himmel sich öffnete, verloren, beinahe menschlich, sank er
durch eure Weisheit wie ein Stein“.

In Düsseldorf konnte ich Cohen im Konzert erleben. Viele Jahre später dann lebte er als Mönch
in einem Zen-Kloster, um lange vor seinem Tod mit zweiundachtzig Jahren erneut als Sänger
durch die Welt zu touren. Jetzt, wo er tot ist, singen andere seine unsterblichen Lieder.

So viele Idole meiner Jugendzeit sind inzwischen gegangen. Ich sitze zu Hause. Vor mir
Cohens Bücher mit Gedichten aus zehn Jahren. „Parasiten des Himmels“ ist der Titel
eines Buches, „Die Energie der Sklaven“ heißt das andere.
Da war Krieg in Vietnam und seine Lyrics zeugen von Zerrissenheit und Enttäuschung,
gleich im einem Satz auf der ersten Buchseite: „Da wir Poesie nannten, was Dunkelheit war“
oder in einer anderen Formulierung: „Jetzt segele ich von Himmel zu Himmel, und die
ganze Schwärze singt rings um das Boot, das ich mir baute aus verstümmelten Flügeln“.

Kerzen brennen und im Recorder dreht sich seine Stimme um und um, “ I told you
when I came I was a stranger ; I told you.. “

So long Leonard!

Do Solis-Rangel, November 2016

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