In einem Heißluftballon über Lissabon
So schwerelos zu schweben,
vom Boden abzuheben,
das ist uns wohl im Leben
höchst selten mal gegeben.
Nun schwebte ich nicht ganz davon,
es reichte wohl bis Avignon,
doch mich, mich trieb`s nach Lissabon
in meinem leichten Luftballon.
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Das also ist Lissabon, dachte ich nach einem Gesamtüberblick
aus den Lüften:
Eine blaue Stadt mit altem Mauerwerk, bedeutenden Plätzen , Kirchen,
Museen, Burgen auf steilen Hügeln, klapprigen antiken Straßenbahnen,
die diese hinauf ächzen, mit einem Gewimmel von Menschen in überfüllten
Straßen.
Eine Stadt mit prachtvollen Boulevards wie zum Beispiel der Avenida
de Liberdade, die sich 1,5 Kilometer lang vom Praca Marques de Pompal bis zum Bahnhof
Rossio hinzieht, eine mit Palmen, Platanen und Kirschblüten-Bäumen bestandene
Prachtstraße nach Vorbild der Champs-Elysees. Eine Straße mit einem breiten
Mittelweg, der wunderbar mit Steinmosaiken gepflastert ist und an einigen Denkmälern,
zum Beispiel an einem Wassermann-Brunnen, zum Sitzen einlädt.
Rabatten mit blaugelben Stiefmütterchen stechen ins Auge, Kinos in Häusern mit
Fassaden aus der Gründerzeit, die langsam von moderner Glasfront-Architektur
verdrängt werden, Banken-und Büroviertel, die geschäftige Menschen zwischen
30 und 50 in Casual-Kleidung ausspucken, die dann in einem der zahlreichen,
wie Pilze aus dem Boden schiessenden veganen , puristisch eingerichteten
Bistros Sushi aus Plastikschalen, Apple-Crumble oder Kaffee aus Pappbechern konsumieren.
Diese anonyme, futuristische Großstadt-Atmosphäre findet sich auch am Ozeaneum und
am 1998 errichteten Bahnhof Estacao do Oriente, dessen filigranes Dach an Palmwedel erinnern soll,
beeindruckend anzuschauen, aber wir steigen gar nicht erst aus aus unserem roten Bus.
Da entschwebe ich lieber in meinem leichten Ballon bis zur Praca do Comercio,
einem wunderbaren Platz mit Rundumblick bis zum breiten Tejo, wo auf hölzernen Planken
Leute ihre Füße Richtung Wasser baumeln lassen.
Am Denkmal des Platzes kauern Touristen auf Treppenstufen und ich sehe,
wie sie von Händlern umgarnt und umschlichen werden:
alte Straßenhändler mit abgelaufenen Sohlen bieten vor allem Sonnenbrillen feil,
andere Schmuck aus Afrika, Postkarten, Luftballons.
Eine junge Fotografin erscheint mit einem imposanten Falken, selbst aus der Luft
wirkt er riesig, den setzt sie einem Jungen auf die Schulter und klickt und klickt
mit ihrer Kamera. Unter den Arkaden der maisgelben Bauten am Praca do Comercio
werden Cocktails geschlürft und Eiskaffees oder Cappucino getrunken, Kunstdrucke
und blaue Kacheln, die Azulejos bewundert. Menschen im Rentneralter tragen trendige
Jeans und imposante Sonnenbrillen, Keglerclubs sprechen betont laut in ihrer rheinischen
oder hessischen Mundart.
Vom Heißluftballon, mit dem ich sanft lande, geht es-zusammen mit meiner Freundin Do
in andere Transportmittel: Hop-on, Hop-off-Busse, eine historische Tram, die Numero 28,
in Taxis, die in Lissabon preisgünsitig sind und in sogenannte Tuck-Tucks, offene, niedrige
Gefährte, die schnell, aber holprig unterwegs sind und deren Fahrer einem so nebenbei
die wichtigsten Sehenswürdigkeiten am Straßenrand erklären.
Das sind markante Aussichtsplätze unter Platanen in Baiiro Alto, einem pittoresken Altstadtviertel,
deren Kirche zum Verweilen einlädt, deren kleine Modeläden und Eisdielen und Cafes
heimelig wirken. Am Abend sind wir nochmals hier in Baiiro Alto in einem Restaurant,
Familienunternehmen, wo unser Hotel uns einen Tisch reservierte.
Ein antikes Restaurant vom Feinsten: Der Bacalhau, der Stockfisch , schmeckt hervorragend,
die Vorspeisen und der Nachtisch auch und der Weißwein der Region ist trinkbar, obwohl
ich schon weitaus bessere Weine, zum Beispiel von der Loire oder der Nahe goutierte.
Der Service der umtriebigen Kellner in Stresemann-Weste mit schwarzen Fliegen macht vieles
wett. So nach und nach füllen sich die Tische, man sieht junge und alte Gäste, Portugiesen,die
später auch einige der wehmütigen Fado-Lieder mit glockenhellen Stimmen mitsingen und Engländer,
Deutsche, Asiaten. Denn die Hauptattraktion dieses Lokales ist der Fado-Gesang, der von drei
-sich abwechselnden Sängerinnen und einem Tenor dargeboten wird: sehnsuchtsvolle Gesänge,
in denen es um einsame Frauen geht, deren Männer zur See fahren, um Liebesglück und Liebesleid
und dergleichen mehr. Da kommt der Ohrwurm“ una casa portugesa“, der fröhlich ist, wie eine
willkommene Abwechslung daher.
Um den Fado zu verstehen, muss man das Fado-Museum aufgesucht haben, in dem wir uns nach
zahlreichen Hörbeispielen mit CDs eindeckten und dessen angrenzenden, bezaubernd eingerichtetes,
lichtdurchflutetes Restaurant sehr zu empfehlen ist.
Noch eines möchte ich erwähnen: Die Kirche Igreja de Sao Domingo am Largo do Sao Domingos.
Selten habe ich einen solch faszinierenden Tempel betreten. Die rötlichen Terrakotta-Decken, die
Säulen und Steingewölbe wirken archaisch, man hat diese Kirche, die nach zwei Bränden und dem
großen Erdbeben wieder aufgebaut wurde, in diesem halbfertigen Zustand belassen- mit integrierten
Brandresten, die sich an einigen Gemälden und Ikonen zeigen. Hier könnte ich mir auch gut ein
Konzert in Weltmusik vorstellen, aber bitte nicht den Gruselrocker Marilyn Mason, von dem zerfledderte
Plakate an einem Opernhaus künden.
Vor der Kirche hocken Bettler, aber auch viele Afrikaner mit ihrer Habe,
ein großgewachsener Schwarzer mit einem Chihuahua, der aus
der Tasche seiner Jeansjacke herauslugt, ist wohl in anderen Diensten unterwegs. Haben die Suiten und Zimmer der zahlreichen Hotels meist dünne Wände?
Doch der Largo hier hat was , die Quecksilbrigkeit der Großstadt, seine Melancholie, Getriebensein und Schläfrigkeit zugleich, Ambivalenz und Verheißung und plötzlich ist Ben Harpers Musik in meinem Kopf mit „Amen, Omen“
und der Liedzeile: „I live a hundred livetimes in a day, but I die a little with every breath that I take!“ Stirb und werde wieder….im
Rhythmus der Strömung deines Blutkreislaufs, deines Liebes-Kreislaufs. Verschmelze!
Im berühmten Cafe a Brasileira bezaubern holzgetäfelte Wände, Spiegel, Gusseisentischchen mit
Marmorplatten und Wandgemälde. Es riecht nach Mokka und Zigarren. Wir kommen mit sehr aufgeschlossenen
amerikanischen Studenten aus Massachusetts ins Gespräch, sie wollen weiter zur Burg in Sintra, in
Lissbons Umgebung.
Draußen vor dem Lokal steht ein Bronzedenkmal des Nationaldichters Fernando Pessoa.
Von ihm stammt der Satz:“Das große Los des Zufalls fällt nur jenen zu, die es auf gut Glück kaufen!“
Dann haben meine Freundin Do und ich es mit dieser Reise auf jeden Fall richtig gemacht!
Renate Rave-Schneider, 25.02.2018….
2 Gedanken zu „Lissabon – Blues !“
Die Fiktion, die Welt von oben zu betrachten, finde ich in deiner Story sehr reizvoll. Beim Lesen war ich mittendrin im Geschehen. Du schaffst es, mich als Leserin mitzunehmen in das Gewimmel der Bilder Lissabons. Es liegt an deiner Art zu schreiben. Du beherrschst das Beschreiben bravourös! Ein toller Reisebericht, den du selbst mit auf Lesereise nehmen kannst, wenn es dich wieder einmal auf die Bühne, die die Welt bedeutet, treibt!
Renate, ich bin immer wieder begeistert von deiner ausgeprägten Beobachtungsgabe. Dir scheint nichts zu entgehen :). Und wie du all die vielen Details dann in Worte kleidest und einen phantastischen Reisebericht daraus zauberst ist einfach toll und ich kann nur staunen!