Ein Sonntag im Sommer, ein Gartenfest anläßlich eines achtzigsten Geburtstages einer Künstlerfreundin…
Wie kommst Du hin?
„Geh nur immer geradeaus, bis zu einem Schulhaus, dahinter beginnt ein Pfad, wo es riecht nach Pausen auf
Schüler-Art, bald stehst Du vor einem angelehnten Graffiti-Tor,
und bist Du pünktlich um 12 Uhr da, dann hörst Du die Ständchen des Unterbilker Gspelchores,
die Stimmen klingen wunderbar!“
Man folgt dieser Wegbeschreibung und befinde mich auf der Festwiese. Einige lauschige Bänke unter Laubbäumen
mit Blick auf eine mit bunten Wimpeln geschmückte Süßkirsche laden direkt zum Sitzen ein,
man wird mit Perl- und Rotwein nur so „überschüttet“, die Rede fürs Geburtstagskind kommt leicht von den
Lippen und dann kann man entspannt mit seinem Sitznachbarn plaudern, jemanden , der auch
der Musik-Leidenschaft frönt und den Spotify-Kanal und andere Digital-Angebote für sich entdeckt hat.
Das Geburtstagskind wirkt verjüngt in türkis farbenem Kasack, die halbe Künstlerwelt Düsseldorfs ist hier,
singt und parliert und stößt mit Champagner an. Dann wird zum Büffet gebeten, ein Privatier , dessen Hobby das Beizen und Räuchern von Fisch ist, serviert den leckersten Matjes an Dill-Sahne-Sauce auf gestossenem Eis, den leckersten Lachs mit Kren, den Du in deinem Leben hattest, jeder Bissen ist Wohlgefühl pur.
Indien-Fahrerinnen, Skulptur-Bildner, Ärztinnen, Heiler, Schamanen, Musikerinnen, Bauherrn, Autorinnen, jung und alt
treffen sich hier zwischen Linden und Stauden und erobern das Büffet mit Falafel-Salaten, Antipasti, Tapas, Limetten-Himbeer-Mascarpone und weiteren Köstlichkeiten und man hört in all dem Sing-Sang und Gerede die schrille
Telefonklingel aus der Wohnung des Geburtstagskindes . Da ist der so rüstig wirkende ältere Mann mit dem Vorderrad seines Rennrades, zärtlich befühlt er die Speichen und dreht es beglückt, er schleppt es mit, wo er geht und steht und es dauert lange, bis man kapiert, dass das jetzt kein Geschenk für die Gastgeberin ist, keine Performance, sondern eine Szene, in der sich Poesie und Tragik subtil vermengen.Das Lächeln des Entrückten, dessen vergeistigte Gesichtszüge sich in spielerische Leichtigkeit gewandelt haben, berührt, weil es die Grenzlinie zum Irrealen streift. Pythia, die gigantische drei-beinige Pappmaché-Figur an der Efeu-Wand vor dem Gartentor hat für uns alle längst die Karten gemischt. Da ist der Gehörlose, der sogar trommelt zu den Rhythmen eines Gitarre-Spielers und durch die Vibrationen doch so einiges vom Rhythmus mitbekommt. Da ist die Heilerin mit
der Mallorca-Bräune im schwarzen Kleid und da sind die Romantiker, die nur auf die ersten Klänge von Cohens „Hallelujah “ warten wie Manna , was vom Himmel fällt. Da ist Düsseldorf-Unterbilk und der Sound von Kraftwerk im Hintergrund und da ist die schwirrende Hitze im Kopf und der eisgekühlte Matjes im Leib und die Gewißheit, dass wir das Leben nicht verstehen müssen, dann wird es an vielen Tagen wie ein Sommerfest bleiben mit Blüten im Haar und Lippenstift-Spuren auf Kragen und Kleidung.
Renate Rave-Schneider, Juno 2019
3 Gedanken zu „Unter Leuten im Düsseldorfer Sommer“
Liebe Renate, ich staune, wie Du vermagst, ein sommerliches Fest atmosphärisch dicht zu beschreiben. Für die Gastgeber sicher ein willkommenes Feedback, den Teilnehmern, für die die Feté möglicherweise einen normalen Verlauf hatte und die das Event teilweise schon vergessen haben mögen, eine schöne Erinnerung. Für Lesende wie mich hervorragende Dokumentation einer Szenerie, die mehr als Fotos in der Lage ist, ein Bild zu malen. Ich wäre bei dem Sommermärchen gern dabei gewesen. Gruß Do
Es gibt Türen zwischen dem sichtbaren Geschehen und dem verborgenen. Was man mit allen Sinnen mit-erlebt, auch wenn an einem anderen Ort weilend, läßt einen dabei sein. Ich bin mir sicher.
Renate, was für eine traumhafte Story. Beschwingt und sommerlich. Man hat das Gefühl, mittendrin zu sein.
Tatsächlich wie ein Sommermärchen.
LG Bernhild