Wo alles begann und die Inspiration für mich 1995 ihren Anfang nahm!
Zur Erinnerung an die Zeit vor zwanzig Jahren
……………………………………………………………………………
KEIN CLUB DER TOTEN DICHTER.
Die Bolkerstraße: Geburtsstätte Heinrich Heines, Sitz des Literaturbüros NRW.
Trotzdem nur bedingt ein Ort feinsinniger Lyrik. Abgesehen vom trefflich ge-
reimten – „Ja, sind wir im Wald hier, wo bleibt unser Altbier?“ – ist Dichtkunst
hier kaum gefragt. Bis jetzt: In der Kneipe „Schnabelewopski“ hat der amerika-
nische Lyriker John Linthicum eine ungewöhnliche Art gefunden, die Düssel-
dorfer für Literatur zu begeistern : Das „Poetry Cafe“. Jeden ersten Dienstag
im Monat ist die Kneipe an der Bolkerstraße 53 zum Bersten gefüllt. Nichts
erinnert hier an normale Lesungen. Die Luft ist rauchgeschwängert. Das Alt-
bier fließt in Strömen, es wird gelacht, diskutiert, gelobt und getadelt. Der Clou:
Hier, im Geburtshaus von Heinrich Heine, darf jeder, ob Hobby-Schreiber oder
Literatur-Profi, seine eigenen Gedichte oder Texte vorlesen. Bekommt ein
Mikrofon, wenn er sich an die Regeln des „Poetry Cafes“ hält: Vorlesedauer-
höchstens fünf Minuten. Immer muß der Text eines anderen zuerst gelesen
werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Weltliteratur oder Auszüge
aus der Beckenbauer-Biographie handelt. Nachwuchsdichter lassen sich von
mitgebrachten Fans bejubeln, Autoren wie Peter Maiwald finden hier ebenso
ein Forum wie Düsseldorfs geniale (Lyrik)-Dilettanten. Acht Plätze auf der
Leserliste sind immer frei. Wer dabei sein will: Anmeldekarten gibt es am Ver-
anstaltungsabend ab 19 Uhr beim Moderator Linthicum. Das „Poetry Cafe“-
kein “ Club der toten Dichter.“
Arno Gehring, Düsseldorfer Express 1995
Damit der Poesie die Flügel wachsen
„Stadtindianer“ – neues Literaturmagazin für junge Autoren erschienen
Stadtindianer – das ist ein recht ungewöhnlicher Titel für
ein Literaturmagazin. Das sagt sogar die Herausgeberin
Renate Rave-Schneider. Aber der Name hat eine Geschichte.
Der Indianer „Schwarzer Hirsch“, der als Jäger, Krieger und
Krankenheiler das Wissen seines Stammes vertrat, hatte eine
Vision: Unter dem Morgenstern flohen zwei Männer. Da sagte
sein Großvater zum „Schwarzen Hirsch“:“ Von ihnen wirst Du
Macht empfangen, von ihnen, die alle Dinge auf der Erde erweckt
haben mit Wurzeln, Beinen oder Flügeln“. Die Geschichte gefällt
Renate Rave-Schneider: „ In unserer Gesellschaft haben wir eher
verhaftende Wurzeln kennengelernt, die Flügel sind vielen von uns
früh gestutzt worden.“ Kunst, Musik und Literatur seien eine Möglich-
keit , fliegen zu lernen.
Die Nummer eins des „Stadtindianers“ ist gerade frisch erschienen
und soll jungen Autorinnen und Autoren beim Flügelwachsen helfen.
Vor zwei Jahren rief Renate Rave-Schneider den „Litera-Treff“ ins
Leben, um Nachwuchsschriftstellern ein Forum zu geben, über ihre
Literatur zu sprechen, vor allem aber ihre Gedichte und Prosa vorzu-
tragen. Denn: Unbekannte Autoren haben es einfach schwer“.
Aus diesen Runden entwickelten sich im Laufe der Zeit die „Poetry –
Parties“, die dritte Ausgabe ging am vergangenen Samstag über die
Bühne. Und nun gibt es auch noch eine Zeitschrift. Mit Siebenmeilen-
Stiefeln schreitet die Münsteranerin durch die Literatur-Förderung.
Seit 1994 hat Renate Rave-Schneider Texte gesammelt, die jetzt im
„Stadtindianer“ zu lesen sind. Postautos, Liebesleid oder Kaspar
Hauser werden hier in Gedichten, Kurzprosa und Romanauszügen
angesprochen. „Diesmal habe ich noch keinen thematischen Schwer-
punkt gesetzt“. Aber das soll sich schon mit der zweiten Ausgabe
ändern, die im Februar oder März erscheint. „Meine Welt –Deine Welt“
schwebt der Herausgebern als Thema vor nach Versen von Karl May.
„Unwahrscheinlichen Spaß“ hat Renate Rave-Schneider bei der Text-
Auswahl für den ersten „Stadtindianer „ gehabt. Überhaupt müsse
man viel Engagement mitbringen, wenn man Literatur für die Öffentlich-
keit aufbereite. Doch der Erfolg ihrer Poetry Parties gibt ihr recht:
„Es muß wohl rübergekommen sein, dass ich mit meinem Herzblut
dabei bin“.
Der Stadtindianer ist erhältlich bei Renate Rave-Schneider.
Petra Noppeney, Westfälische Nachrichten Münster, 25.09. 1996
Geschichte um die Kraft der Liebe – Ende offen
Viola Neumann und Gregor Bohnensack überzeugten in
Szenischer Lesung im Kleinen Bühnenboden
Junge Studentin trifft alkoholabhängige Künstlernatur
und verliebt sich. 1958, als Christiane Rochefort mit
ihrem Roman „Das Ruhekissen“ an die Öffentlichkeit
trat, war diese Konstellation sicherlich genauso wenig
vielversprechend wie heute.
Doch ob die Geschichte der Liebe zweier einander un-
bekannter Wesen, die so wenig für einander geschaffen
scheinen wie Mann und Frau , in ihren Abgründen und
Revolten eindringlicher und authentischer bloßgelegt
werden kann, als von Rochefort , ist fraglich.
Am Samstag Abend brachten Gregor Bohnensack und
Viola Neumann Auszüge des Buches in einer szenischen
Lesung auf die Bühne des Kleinen Bühnenbodens in der
Schillerstraße.
Am Ende des Stückes knien Renaud und Genevieve
einander gegenüber auf zwei Kissen – Ruhekissen?
Diese Geste in einem sparsam und damit um so bedeutungs-
Voller inszenierten Textauszug bringt allein zum Ausdruck,
dass Rochefort an die Macht der Liebe glaubt.
Ein Mann, der seinen Ekel an der Welt und der eigenen
Unfähigkeit, sich in ihr zurecht zu finden, nur ertränken kann,
vermag am Ende der naiven und rückhaltlosen Liebe einer
jungen Frau nicht zu widerstehen und läßt sich fallen- auf
das Ruhekissen. Alle Versuche, den Menschen zu zerstören,
der seine Flucht aus dem Leben verhindern will, scheitern.
Bohnensack gelingt es , diesen Renaud im Laufe des Abends
Aufzufächern, aus einem zynischen Sadisten einen Menschen
auferstehen zu lassen, der immer vielfältiger und facettenreicher
wird.
Doch geht das Ganze wirklich so gut aus? Die Ausschnitte, die
Renate Rave-Schneider als Veranstalterin mit den Schauspielern
Ausgewählt und szenisch umgesetzt hat, legen dies nahe.
Das Buch von Rochefort ist da vorsichtiger. Auch Genevieve
verändert sich. Der Mann, den sie vor dem Selbstmord rettet,
setzt in ihr ungekannte Dimensionen frei. Gerade in den Qualen,
die er ihr zufügt, erlebt sie sich selbst, fühlt sie sich auf die
nackten Gefühle reduziert und zeigt dies auch.
Doch je mehr sie den Mann aus seiner Isolation befreit, desto
mehr entgleitet er ihr. Der Mensch, der ihr zutage tritt, gehört
ihr nicht und auch das bereitet Qual. Als er sich ihr am Ende
endgültig öffnet, hat sie ihn losgelassen. Der Ausgang bleibt
offen.
Neumann verleiht besonders der Genevieve, die linkisch und naiv,
sich selbst, die Liebe und die Sucht entdeckt, ein beeindruckendes
Gesicht und bringt die Wandlung vom Mädchen zur Frau überzeugend
auf die Bühne.
Die Aufführung wird am 30. August um 20.30 Uhr wiederholt.
Westfälische Nachrichten 25.08.1997
Münstersche Zeitung vom 13.April 1996
Münstersche Zeitung vom 29.April 1996